Punkt 11 Uhr am Freitag ging bei allen Mitgliedern unserer Hofgemeinschaft ein elektronischer Hilferuf der Gärtnerschaft ein. Es wurden viele liebevolle Hände gesucht, die all den kleinen verwaisten Weißkohlpflänzchen am Samstag ein neues Zuhause suchen und ihnen die Eingewöhnung in ihrer neuen Umgebung so leicht wie möglich machen würden. Der verzweifelte Appell trieb zahlreiche Kohlliebhaber- und Kohlliebhaberinnen auf den Hof und knietief in das Silagebeet. Bei so viel Zuneigung werden aus den Lütten ganz bestimmt gesunde und lebensfrohe erwachsene Köpfe, die über die plumpen Annäherungsversuche von Kohlfliege, Kleinem Kohlweißling und Kohlmotte nur müde lächeln und ihre Verantwortung als leckeres Sauerkraut ernst nehmen.
Wer danach noch etwas Liebe übrig hatte, konnte das Silagebeet für den Rotkohl- und Spitzkohlnachwuchs vorbereiten oder sich auf dem Möhrenfeld austoben. Die geballten Carotinbomben mussten aus der heftigen Umklammerung von diversen Unkräutern befreit werden. Leider (oder auch nicht) gab es dabei Verluste in den eigenen Reihen, die jedoch mit einem Happs vergessen waren. Wer jetzt denkt, so ein Nachmittag im wogenden Karottengrün sei nur ein Genuss für den Magen: Weit gefehlt! Ein paar Meter weiter legte eine Gruppe Nacktradler eine wohlverdiente Bierpause ein und bot damit einen befreienden Anblick.
Loslassen fiel am Ende des Tages wie immer schwer. Fest geplant war der Zug um 15.30 Uhr nach Dresden. Dann kam eine Runde auf dem Traktoranhänger und ein Wettbewerb im Silageweitwurf dazwischen. Nicht so schlimm. Der Zug um 16.30 Uhr reicht ja noch. Die eine Möhrenreihe noch bis zum Ende – 17.30 Uhr fährt auch noch ein Zug. Nur noch kurz das Netz über die Möhren feststecken. 18 Uhr: Hat noch jemand Platz im Auto?
von Anne K.