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Solidarische Landwirtschaft (Solawi) – mehr als nur Gemüse

Wir werden immer mal mit der Aussage konfrontiert, dass Solawi-Gemüse „teuer“ sei. Diese Aussage macht uns nachdenklich, da wir wissen: Das Gemüse ist ja nur ein Teil der Leistungen. Wir Mitglieder zahlen den monatlichen Mitgliedsbeitrag für mehr als nur Gemüse – wir unterstützen damit zukunftsorientierte Landwirtschaft, die sich aktiv mit aktuellen Herausforderungen auseinandersetzt und diesen Herausforderungen kreativ und vielfältig begegnet. In diesem Beitrag wollen wir euch einige dieser Herausforderungen genauer vorstellen:

Klimawandel

Landwirtschaft ist mitverantwortlich für den Klimawandel, aber Opfer des Klimawandels. Es liegt an der Entscheidung für eine diverse, biologische Landwirtschaft, um zum einen mit den jetzt schon zu erwartenden Klimawandelfolgen zurecht zu kommen und zum anderen schlimmeres abzuwenden.

Durch Bodenschonende Landbewirtschaftung wird Kohlenstoff in Form von Humus langfristig im Boden gespeichert und Wasserkreisläufe/-haltefähigkeit gestärkt. Das ist vorallem bei Trockenheit, mit der wir immer mehr zu kämpfen haben, relvant.

In Sachsen werden 7% der Ackerflächen biologisch bewirtschaftet. Unsere 4 Hektar sind ein Teil davon und wir setzen uns dafür ein, dass es mehr solche Initiativen gibt. Dafür sind wir mit weiteren Solawi-Initiativen und kleinbäuerlichen Ökobetrieben vernetzt und engagieren uns, wo wir können politisch für nachhaltige Landwirtschaft.

Lebensmittelverschwendung

Durch Lebensmittelverschwendung verlieren wir rund 25 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Dabei kann viel Ausschuss vermieden werden.

Wir verwerten fast alles essbare Gemüse: Wir Mitglieder erhalten auch krumme oder sehr kleine Exemplare, die es nie in einen Laden schaffen würden. Unser Gemüse hat sozusagen Charakter. Gemüse, welches wegen Druckstellen oder sonstiger Mängel, nicht den Weg in die Abhol- bzw. Verteilstationen schaffen würde, wird direkt auf dem Hof für das gemeinsame Mittagessen an Mitmachtagen verarbeitet. Das Zubereiten dauert so etwas länger, aber diese Zeit investieren wir gern, um das auf unseren Flächen angebaute Gemüse tatsächlich zu nutzen. Denn am Ende zählen die inneren Werte – und die sind durchaus überzeugend. 🙂

Biodiversität

Viele Tier- & Pflanzenarten sind durch vermehrten Herbizideinsatz und intensive Bodenkultivierung, wie in der industriellen Landwirtschaft üblich, selten geworden. Es wird teilweise von einem Rückgang um 75% der Biomasse aus Insekten ausgegangen und auch immer mehr Wildpflanzen finden sich auf der roten Liste der gefährdeten Arten wieder.

So auch der Feld-Rittersporn, den wir im Jahr 2022 auf unseren Flächen sichten konnten. Dieses Ackerwildkraut fühlt sich bei uns auf den Flächen wohl, weil wir auf Pestizide und Co. weitestgehend verzichten.

Seit 1900 ist auch die Vielfalt der Kulturpflanzen durch die Industrialisierung der Landwirtschaft weltweit dramatisch – um 75% – zurückgegangen. Es beeinflussen Gentechnik, Saatgut-Monopole, Klimawandel und Kriege dieses kostbare Erbe. Vielfalt auf dem Acker hilft uns dabei, auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren zu können. Zum Beispiel gibt es Sorten, die gut mit viel Regen klar kommen und Sorten die Trockenheit vertragen.

Es ist Teil unseres Anbaukonzeptes Vielfalt zu nutzen, um so eine resiliente Landwirtschaft zu betreiben, sodass wir Mitglieder auch bei Ausfällen einer bestimmten Gemüsekultur bzw. -sorte immer mit Gemüse versorgt werden können.

Seit 2017 engagieren wir uns in Sortenerhaltungs- und Vermehrungsprojekten.

Entfremdung von der Lebensmittelherstellung

Im Supermarkt ist nicht sichtbar, wie Lebensmittel erzeugt werden und was es bedeutet sie herzustellen. Immer mehr Kinder und Jugendliche (auch Erwachsene) sind stark von ihrer natürlichen Umgebung entfremdet und wissen nicht, was wann wächst und essbar ist.

Das Ergebnis einer Studie aus England im Jahr 2002 ist, dass Achtjährige nur 53 Prozent der gewöhnlichen heimischen Tierarten unterscheiden können, aber 78 Prozent aller Pokémon-Charaktere.

Mitmachtage auf unserem Acker ermöglichen es allen Interessierten (auch Nicht-Mitgliedern) Landwirtschaft zu erleben. Gemüse zu pflanzen, zu pflegen, zu ernten und zu naschen und die ein oder andere kleine Überraschung zu sehen, z. B. in Form von Regenwürmern & Co. – so kann wertvolles Wissen über Tier- und Pflanzenwelt erhalten bleiben, und zwar ganz praktisch auf dem Acker, nicht nur theoretisch. Darüber hinaus bieten wir Führungen und Mitmachaktionen für Schulklassen und Erwachsenengruppen an.

Verlust von fruchtbarem Boden

Das Abtragen von Bodenschichten durch Wind oder Wasser wird als Erosion bezeichnet. Langfristig führt Erosion zu komplett unfruchtbaren Äckern.

Dem beugen wir mit einer nahezu durchgängigen Begrünung unserer Ackerflächen vor. Somit erhalten wir die kostbare Humusschicht und sorgen so für eine langfristige Anbauperspektive.

Wir legen auch viel Wert auf Bodenfruchtbarkeit, denn diese ist unser höchstes Gut für langfristig ertragreiche Ernte und gesundes Pflanzenwachstum. Unsere konkreten Maßnahmen dazu sind eine weite Fruchtfolge mit Zwischenfrüchten, Blühsteifen, Mulcharbeit, Untersaaten und auch mehrjährigen Gründüngungsflächen, möglichst schonende pfluglose Bodenbearbeitung mit leichten Traktoren.

Globale Unsicherheiten

Lieferengpässe, Preisschwankungen, Inflation, globale Krisen sind nicht zuletzt seit dem Krieg in der Ukraine teil unseres Alltags und zeigen uns wie fragil das globale Gefüge ist.

Wir versuchen uns als Betrieb unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen. Wir produzieren unseren eigenen Solarstrom, haben eine Erdmiete in der ohne Strom gelagert werden kann, nutzen heimische Gemüsearten, vermehren selber Saatgut, die Distanz vom Acker zu den Abhol- bzw. Verteilstationen könnte auch mit Lastenrädern zurücklegt werden. Das Hofteam nutzt einen Teil der Arbeitszeit dafür, weiter daran zu arbeiten den Betrieb krisenfester zu gestalten, um so regionale Resilienz zu erzeugen und auch in schwierigen Zeiten die Gemüselieferung zu sichern.

Sozialer Zusammenhalt

In einer Gesellschaft in der es immer mehr Single-Haushalte gibt und Nachbarschaften eher anonym werden, sinkt der soziale Zusammenhalt.

Wir Mitglieder pflegen ein gemeinschaftliches Miteinder, haben Kontakt in den Abhol- bzw. Verteilstationen, bei Mitmachtagen auf dem Hof und bei Hoffesten, teilen Rezepte, teilen die Kosten sowie den Anspruch solidarische Landwirtschaft zu unterstützen. All das ist die Basis, welche die Initiative vital, stark und stabil macht und auch zur mehr Solidarität in Krisenzeiten führt.

Deswegen wird Wert auf regelmäßige Treffen und Feste gelegt. Zu unserer jährlichen Mitgliederversammlung mit Bieterunde(n) wird die Solidarität am stärksten sichtbar. Klar, es könnte ein monaltlicher Festpreis vorgegeben werden, aber dadurch würden möglicherweise Menschen ausgeschlossen, die nur wenige finanzielle Mittel für Lebensmittel haben. Deswegen kann jedes Mitglied den monatlichen Mitgliedsbeitrag für die Bewirtschaftung des Hofes (und somit für den Gemüseanbau und das Gemüse) selbst festlegen, wodurch die Kosten solidarisch auf alle Mitglieder verteilt werden.

CO2-Emmissionen durch Transport

Etwa 19 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen des Ernährungssystems werden durch den Transport verursacht. Dabei liegt das Gute oft so nah.

Wir bauen unser Gemüse in Radebeul an, ca. 10 km entfernt von Dresden (wo die meisten Mitglieder wohnen). Geliefert wird das Gemüse zu den Abhol- bzw. Verteilstationen mit einem Teilauto. Durch die kurzen Wege muss das Gemüse unterwegs nicht gekühlt werden und kommt meist am Tag der Ernte frisch bei uns Mitgliedern an.

Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft

Landwirtschaft ist ein „hartes Pflaster“ – Preisdruck und unangenehme Arbeitsbedingungen (draußen Arbeiten bei jedem Wetter) sorgen dafür, dass immer weniger junge Menschen den Acker als Arbeitsort wählen.

Wir achten auf ein zufriedenes Team und faire Bezahlung. Durch die monatlich gleich bleibenden Beiträge innerhalb einer Saison gibt es bei uns keinen Verkaufsdruck, unser Betrieb muss keinen Gewinn erzielen. Wir nutzen Zeit für gemeinsame Entscheidungsprozesse und Teamkultur. Auch achten wir auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen, wo es möglich ist.

Weiter sind wir Ausbildungsbetrieb mit 2 Ausbildungsplätzen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Für das Anleiten braucht das Hofteam viel Zeit – Zeit die uns die Zukunft der Landwirtschaft aber wert ist.


Summa Summarum können wir auf unseren etwa 4 Hektar Fläche und innerhalb unserer stabilen Gemeinschaft viele Lösungen auf dringende Fragen des 21. Jahrhunderts anbieten und schaffen so eine resiliente, regionale Lebensmittelversorgung – die auch aktuelle multiple globale Krisen meistert. Dafür zahlen wir Mitglieder den monatlichen Beitrag – das Gemüse gibt es sozusagen gratis dazu 😉